PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Kantonsspital Schaffhausen (11/2019 bis 3/2020)

Station(en)
Notfall, 5B, 2C, Präambi
Einsatzbereiche
Notaufnahme, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP, Station
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Wenn ich an meine UHU (= Unterassistentenzeit) in Schaffhausen zurück denke, bin ich sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite wird man von Tag 1 auf sich alleine gestellt, was einem zwar eine große Lernkurve ermöglicht, da es kaum Grenzen gibt, zwischen den eigenen Aufgaben und denen der Assistenzärzte, auf der anderen Seite fühlt man sich auch teilweise sehr alleine gelassen, wenn man im Präambulatorium 15 Patienten mit striktem Zeitplan alleine aufnehmen soll und keiner einem auch nur einen Tag über die Schulter schaut, man bis auf eine Einleitung durch einen anderen UHU keine Einarbeitung erfährt und bei Fragen es eher Glückssache ist, ob man einen Ansprechpartner erreicht oder halt nicht. Die Sekretärinnen im Präambulatorium waren allerdings ein Traum, immer freundlich und für einen da.

Ich hatte insgesamt also eine gute Zeit, je nachdem an welchen Arzt man gelangte, durfte man schnell sehr eigenständig Patienten behandeln und besonders auf dem Notfall habe ich extrem viel gelernt. Der Großteil der Assistenzärzte war stets bemüht, einem sinnvolle Aufgaben zu überlassen, von denen habe ich auch am meisten Teaching erfahren und ehrliches Interesse an meinem Werdegang. Bei den Oberärzten war es sehr unterschiedlich, ob man nur persönlicher Sekretär für administrative Aufgaben ist, Ablassventil für all den Frust, der sich sonst so aufstaut, oder ob man wirklich chirurgische Tätigkeiten übertragen bekommt und für Fragen jederzeit Raum ist. Das lernt man relativ schnell, an wen man sich da am besten hält. Ich hatte teils so großes Glück, das ich im OP durch 1:1 Anleitung erste Schritte selber machen durfte, mir wenn ich bei einer spannenden OP selbst nicht sein konnte, im Nachhinein interessante Videoausschnitte gezeigt und besprochen wurden und darüber bin ich sehr dankbar! Insgesamt ist man aber nicht besonders viel im OP. Das Team ist recht klein, man lernt schnell jeden kennen, auch wenn ich mir bei manchen nicht sicher bin, ob sie nach 4 Monaten meinen Namen kannten.

Ich selber habe die Arbeit auf dem Notfall favorisiert, auch wenn die Tage dort oftmals von 07.00 Uhr bis 19, 20.00 Uhr gingen, bis man alle Patienten vom Tag abgearbeitet hat, fand ich es klasse, wie jeder Patient eine Wundertüte darstellt und man die Diagnostik von Minute 1 selbst in die Hand nimmt und die Schritte nicht nur theoretisch durchspielt, sondern anmeldet und das weitere Vorgehen selbst in der Hand hat. Ich werde allerdings nicht schön reden, das wir UHUs extrem fix im Dienstplan eingeplant wurden und auch Feiertage normal mit uns belegt wurden. Ich hatte die Ehre, dem Spitäler Schaffhausen vom 23.12 bis 27.12 durchgängig zur Verfügung zu stehen, abseits von meiner Familie und mit einem Lohn, von dem es sich in der Schweiz nicht gerade gut leben lässt. Auf die Weihnachtsfeier wurden wir aber natürlich erst nicht eingeladen, erst als jemandem 2 Tage vorher auffiel, dass das komisch sei, gab es noch eine Einladung. Da waren die meisten aber schon anderweitig verplant, ich hatte Rufdienst und ein anderer UHU Spätdienst. Also alles nicht optimal. Über Silvester waren dann die anderen UHUs am 31.01 und 01.01 dran. Das steht zwar auch im Vertrag drin, den man unterschreibt, allerdings finde ich es kein gutes Zeichen, wenn ein Spital seine Schichten ohne UHUs nicht belegen kann, was hier ja leider der Fall ist. Von meiner Heimatuniversität wird das sehr anders gehandhabt, da wurden alle für diese Tage selbstverständlich freigestellt, was meiner Meinung auch selbstverständlich sein sollte. Wir werden später als Arzt noch genug Weihnachten oder Silvester arbeiten dürfen. Der Dienstplaner ist an sich aber sehr bemüht, den Dienstplan nach UHU Präferenzen zu gestalten, Urlaubstage können, wenn frühzeitig angemeldet, nach den eigenen Wünschen genommen werden und wenn man mit der Zeit merkt, wo es einem am besten gefällt, ist er auch gewillt, einen da noch ein bisschen mehr einzuteilen, was ich sehr schön fand. Die in Deutschland mittlerweile sehr verbreiteten Studientage oder die 10-20 Fehltage pro Tertial darf man hier allerdings nicht nehmen. Lehre an sich findet nicht auf PJler spezialisiert statt, es gibt Dienstags aber immer aktuelle Studien, die besprochen und diskutiert werden, Mittwochs interdisziplinäre Fortbildungen und Donnerstags dann Fortbildungen, die Assistenzärzten und Pjlern am meisten bringen, wie zum Beispiel Nahtkurs oder EKG Auffrischungen. Ich war unter der Woche extrem lange immer im Spital, bin abends immer ins Wohnheim gegenüber gefallen und trotz Familie und Freunden, die in der Schweiz wohnen, habe ich wenig mit denen unternehmen können. In 4 Monaten hatte ich 5 Wochenenddienste (werden in der Woche davor und danach durch jeweils einen Tag kompensiert) und konnte insgesamt nur 4 Tage Skifahren, mehr war leider nicht drin. Hatte ich mir im Vorfeld anders vorgestellt.

Das Wohnheim gegenüber ist einem alten Hochhaus, in dem sehr viele verschiedene Arten von Menschen wohnen. Vorteil: Man braucht nur paar Minuten bis man im Spital ist, die Miete ist für die Schweiz top und an sich hat man dort alles, was man benötigt. Die ersten vier Stockwerke sind vor allem Spitalmitarbeiter, jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, viele Schränke, einen Esstisch und Schreibtisch. Bett ist 90cmx2m... Nachteil: Küche teilt man sich mit dem Stockwerk und auch ein Kühlschrank wird sich mit allen geteilt, aus meinem Fach wurde regelmäßig geklaut, sodass ich mir wie andere auch, einen eigenen Kühlschrank fürs Zimmer geholt habe. Internet ist Fehlanzeige, allerdings gibt es im Spital W-Lan.

Ein Midterm Gespräch, wie es in den meisten Log-Büchern drin steht findet nicht statt, aber man bekommt ein Austrittsgespräch mit der Chefärztin. Die meisten Assistenzärzte geben einem schon hin und wieder Feedback und bedanken sich für alles, was man Ihnen an Arbeit abnimmt. Offiziell dürfen wir keine Überstunden machen, dies wird allerdings nirgends notiert, meinen eigenen Aufnahmen zufolge, war ich aber fast jede Woche über die vereinbarten 50 Stunden im Spital.

Leben in der Schweiz ist leider ebenfalls echt teuer, vor allem mit dem Gehalt als UHU (1000 CHF, dann noch Steuern, Miete fürs Wohnheim, Essen... kann man von Glück reden wenn man am Ende bei plus / minus null rauskommt). Wenn man einen Parkplatz benötigt außerdem noch 110 CHF dafür. Ich bin meist einmal die Woche in Deutschland einkaufen gegangen, da "Lunch for Losers" ist laut einigen Ärzten, habe ich mittags selten eine Pause gemacht, abends dann teilweise im Bistro Olive für 7 CHF meinen Teller vollgehauen, da dieser ab 17.00 Uhr nicht mehr gewogen wird, sondern Fixpreis. Mittags gäbe es Mittagsmenüs für 10.50CHF. Das Essen ist an sich sehr lecker, summiert sich allerdings auch sehr, wenn man da regelmäßig essen gehen würde. Die meisten Assistenzärzte sind allerdings sehr, sehr hinterher, einem Café oder Snacks auszugeben, da darf man auch nicht diskutieren, die sehen das als Selbstverständlichkeit an. Fand ich super lieb.

Ich probiere es nun mit der guten alten Pro & Contra Liste abzuschließen.

Pro:
+ Eigenes Diensttelefon
+ Eigenes Schließfach
+ Dienstkleidung gestellt
+ Eigenen Computerzugang
+ Dienstausweis zum Türen öffnen (allerdings kein Schlüssel für einzelne Räume oder wenn man das Treppenhaus draußen nutzt und dann ausgesperrt ist)
+ Meistens eigener Computer zum Arbeiten vorhanden
+ Sehr eigenständiges Arbeiten möglich
+ Schnelle Lernkurve
+ Eigenständiges Arbeiten, vor allem auf dem Notfall
+ Wundversorgungen aller Art selbstständig auf dem Notfall unter Aufsicht
+ Man übernimmt Aufgaben in der Chirurgie, Urologie und Orthopädie
+ Blutentnahmen werden von der Pflege genommen
+ War recht wenig auf Station, daher selten Briefe geschrieben
+ Guter Einblick (sehr real) in die spätere Arbeitswelt und -belastung
+ Sehr, sehr nette Assistenzärzte
+ Teils klasse (leitende) Oberärzte
+ Sehr kompetente und freundliche Chefärztin
+ Immer erreichbares HRM und Sekretariat
+ Kleines Haus, man kennt schnell viele Leute
+ Tolle Interdisziplinäres Arbeiten mit den Mediziner, Urologen, Anästhesisten
+ Pflege auf dem Notfall mehr als kompetent und hilfsbereit

Contra
- Hohe Arbeitsbelastung
- Lange Arbeitstage
- Fester, unentbehrlicher Bestandteil im Dienstplan
- Wenig, bis kaum Lehre oder Anleitung
- Kaum Einarbeitung, bis auf einen allgemein Einführungstag vom Spital
- Wenig Feedback
- Ignoranz mancher Oberärzte
- Man fühlt sich teils sehr auf sich alleine gestellt
- Für ein chirurgisches Fach ist man sehr wenig im OP
- Rufbereitschaften, bei denen man innerhalb 20-30min im Spital sein muss
- Feste Arbeitseinteilung an Feiertagen
- Viele Wochenenddienste (Präsenzzeit vormittags von etwa 08.00 Uhr bis 14.00 Uhr, ab 24 Uhr Rufbereitschaft für OPs, ggf schon früher, wenn vorher Bedarf für mehr helfende Hände)
- Neben dem Spital nie etwas mit den Ärzten unternommen

Insgesamt würde ich wohl erneut eine UHU Stelle oder ggf. sogar eine AA Stelle dort antreten, da ich an der Selbstständigkeit sehr gewachsen bin und glaube, das meine Lernkurve definitiv höher als in Deutschland gewesen ist. Ich hätte mir nur gewünscht, im Vorfeld genauer zu wissen, worauf man sich da einlässt. Für mich war es komisch im Oktober gerade das Examen geschrieben zu haben und im November komplett alleine auf Patienten losgelassen zu werden. Gerade in der Anfangszeit hätte ich mir gewünscht, besser angeleitet zu werden - evtl. mit einer Art Tutor, an den man sich mit seinen Anliegen wenden könnte.
Bewerbung
Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Bestätigung der Immatrikulation) an die Chefarztsekretärin Frau Hintermann: judith.hintermann@spitaeler-sh.ch.
2 Jahre vorher waren erst alle Plätze belegt, dann doch noch einer für mich frei.

Momentan suchen sie noch nach UHUs: https://www.spitaeler-sh.ch/_Medien-Downloads/dateien/Offene-Stellen/Unterassistent_100_Klinik_fuer_Chirurgie_und_Orthopaedie.pdf?m=1574323571&
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
EKG
Nahtkurs
Sonst. Fortbildung
Tätigkeiten
Mitoperieren
Patienten aufnehmen
Untersuchungen anmelden
Patienten untersuchen
Rehas anmelden
Chirurgische Wundversorgung
Briefe schreiben
Röntgenbesprechung
Notaufnahme
Eigene Patienten betreuen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
1000 CHF plus zusätzliche Dienste
Gebühren in EUR
Wohnheim für etwa 380 CHF, Kantinen essen mittags 10.50CHF, abends 7CHF

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
2
Unterricht
3
Betreuung
3
Freizeit
5
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
2

Durchschnitt 2.27